Vom Regen in die Traufe: Dr. Frank Kretzschmar, 1983-2013 – 30 Jahre Widerstand

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Beschreibung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn nichts mehr nutzt
Wenn nichts mehr frommt
Dann wird es Zeit
Dass KRETZSCHMAR kommt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit Ludwig THOMA: „Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand?“ Püh, jedenfalls schaffte es der Autor bis ins „Institut für Theorie des Staates und des Rechts an der Akademie der Wissenschaften“,
dem Rechtswissenschafts-Olymp der DDR. Als er gewärtigte, dass man sich
dort zusammenrottete, um die Weisheit der moribunden Partei- und
Staatsführung zu lobpreisen, konnte seines Bleibens nicht sein. Als
Rechtskundiger woanders auch nicht. Das Berufsverbot war flächendeckend.
Und so landete Frank Kretzschmar, bespitzelt, entrechtet, vorgeführt
und entfremdet, dort, wo wir alle landen: Auf dem Friedhof. Als, so die
offizielle Berufsbezeichnung, „Redner für weltliche Grab- und Trauerfeierlichkeiten“.
Zugelassen, guten Appetit, durch die Abteilung für Bezirksgeleitete und
Lebensmittel-Industrie beim Rat des Bezirkes. 1979 konnte er sein
Veröffentlichungsverbot letztmals durchbrechen und mit der Schrift „Und der Tag hat sich geneigt – zur Gestaltung weltlicher Trauerfeiern“
niederkommen. Um komfortabel überleben zu können, galt es, täglich fünf
Trauerfeiern zu gestalten. Mehr als ein Jahrzehnt. Nur zu bewältigen,
wenn man Leid respektiert, aber nicht an sich heran lässt.

Das Leid der kranken DDR, deren Tod er
punktgenau diagnostizierte, ließ der Autor sehr wohl an sich heran. Ihm
verlieh er, sich haarscharf über dem Abgrund der Stasi-PUT, der „politischen Untergrundtätigkeit mit strafrechtlicher Relevanz“,
hangelnd, unentwegt Ausdruck. Ein kleiner Teil dessen findet
Berücksichtigung in diesem Buch: Anmaßend, frech, zynisch, sarka­stisch.

Vom letzten DDR-Justizminister 1990
rehabilitiert und als Einzelanwalt zugelassen, genoss Frank Kretzschmar,
beruflich erfolgreich, vorübergehend zu Vermögen gekommen, die
Segnungen der Wendezeit, bis er, sich die Augen reibend, mitkriegte,
wohin die Fuhre ging: Vom Stalinismus-Regen in die Correctness-Traufe.
Wie in der DDR. Nur verlogener.

Und so lud sich der Autor sein Kreuz
erneut auf und schrieb an gegen das, was ihm die Luft zum Atmen nahm.
Und haste nicht gesehen, kaum dass ein schlappes Vierteljahrhundert ins
Land ging, schon hatte er sich einzufinden im Polizeipräsidium zu
Leipzig, Dimitroffstraße 1: Das gleiche Haus, das gleiche Zimmer, der
gleiche Tatvorwurf, austauschbare, auf Gesinnungsju­stiz abgerichtete
Vernehmer.

Gelegentlich, um sich selbst zu
trösten, brabbelt der Autor die Strophe eines Louis-Fürnberg-Gedichts
aus seiner Leichenredner-Zeit vor sich hin:

 

 

 

Jeder Traum, an den ich mich verschwendet,
Jeder Kampf, da ich mich nicht geschont,
Jeder Sonnenstrahl, der mich geblendet
Alles hat am Ende sich gelohnt

 

 

Für Frank Kretzschmar auch. Während seine Schergen ihre üppigen
Pensionen vernaschen, sprach ihm die Abteilung Wirtschaftliche
Sozialhilfe und Migrantenhilfe beim Rat der Stadt Leipzig mit Bescheid
vom 9. Juli 2012, Aktenzeichen 50.2212.172506, für sein
Dissidenten-Schicksal in der DDR eine monatliche Rente von 123,– Euro
zu. 9,46 Euro pro Verfolgungsjahr.

Bibliographische und technische Details:

 

-408 Seiten mit zahlr. Abb. und Faksimiles.

Druck:
*Textteil auf 80 g/qm Offsetpapier holzfrei, weiß
*Einbandüberzug: 115 g/qm Bilderdruckpapier mit Mattfolienkaschierung

-Verarbeitung: Festeinband mit Fadenheftung, Kapitalband
-Format: 210 x 297 mm (DIN A 4)
-Gewicht: 1300 Gramm
-ISBN: 978-3-95429-013-0