Lanz von Liebenfels

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Artikelnummer: Uwe Berg Kategorie:

Beschreibung

Bibliographie und vollständige Dokumentation seiner Werke
von Ekkehard Hieronimus
Uwe Berg/Faksimile Verlag, 264 Seitem, zahlreiche Abbildungen

LANZ von Liebenfels, Jörg (eig. Josef Adolf Lanz), Rassenideologe u. Sektengründer, * 19.7. 1874 in Wien, † 22.4. 1954 in Wien. – Nach der Matura trat L., dessen Vater Lehrer war, 1893 in das Zisterzienserstift Heiligenkreuz ein. Als Novize beschäftigte er sich neben dem Theologiestudium intensiv mit der Kunst- u. Kulturgesch. des Stiftes, veröffentlichte zu diesem Thema mehr als 30 Artikel u. wurde Mitglied zweier hist. Vereine. Entgegen der späteren Selbststilisierung, der auch der erste Biograph Daim noch Glauben schenkte, war seine rassistische Weltanschauung in diesen frühen Artikeln, die v. angesehenen Kunsthistorikern gelobt wurden, noch nicht erkennbar. Nach der Priesterweihe 1898 kam L. als Lehrer der Sängerknaben zum Einsatz. Im April 1899 verließ er 24-jährig den Orden u. begründete diesen Schritt mit »steigender Nervosität« u. »Gereiztheit«. Im Kapitelbuch wurde für den Austritt »fleischliche Liebe« verantwortlich gemacht. Für eine gescheiterte Frauenbeziehung spricht sein späterer radikaler Frauenhass. 1901 erschien in einem Organ der Akademie der Wissenschaften die letzte wiss. Arbeit v. L., eine in Fachkreisen gelobte Edition des Heiligenkreuzer Nekrologs.- L. schloss sich zunächst der alldeutschen Bewegung Schönerers an, trat ab 1902 mit antiklerikalen, besonders antijesuitischen Aufsätzen aus dem Gedankenkreis der Los-von-Rom-Bewegung hervor u. schrieb auch für völkische u. sozialdarwinistische Blätter. Er legte sich systematisch eine neue Identität zu u. phantasierte sich u.a. eine aristokratische, sizilianische Herkunft u. einen (zeitweise zwei) Doktortitel an. 1904 erschien die »Theozoologie«, in der L. erstmals umfassend seine dualistische, neognostische Rassenideologie entwarf, die er biblisch fundierte. Der Sündenfall bestand demnach darin, dass sich die ursprünglich göttliche Eva mit einem dämonischen Wesen einließ u. aus dieser Mesalliance die »Niederrassen« hervorgingen. Seither verfallen, so L., die blonden Frauen immer wieder den minderrassigen, aber sexuell aktiveren Dunkelmännern. Die Erlösung liegt nach L. in der Rassenentmischung. Die blond-blaue Rasse der arisch-christlichen Herrenmenschen muss wieder über die dunkelhäutigen »Tiermenschen« herrschen u. sich mit gleichrassigen Frauen zur Göttlichkeit emporzüchten. – L. war mit seiner Kombination v. Rassismus u. Antifeminismus keinesfalls ein »abartiger« Einzelgänger. Verwandtes Gedankengut fand sich in Wien u.a. bei Otto Weininger u. Karl Kraus, den L. glühend verehrte. Auch der schwedische Dichter August Strindberg antwortete auf die Zusendung eines Exemplars der »Theozoologie« begeistert u. nannte L. eine »Prophetenstimme«. – 1907 mutierte L. zum »religiös-politischen Sektenführer« (Heer). Gemeinsam mit Freunden kaufte er die Burgruine Werfenstein bei Grein an der Donau als Ordenssitz an u. publizierte das Programm seines »Ordens des Neuen Tempels«, in dem er »zur planmäßigen Zucht der staats- u. kulturerhaltenden Menschen arischer Rasse« aufrief. Mitglieder des angeblich schon 1900 gegründeten Ordens konnten nur blonde u. helläugige Männer werden, die sich verpflichteten, nur mit gleichrassigen Frauen Kinder zu zeugen u. Gleichrassige in jeder Hinsicht zu fördern. Das erklärte Ziel war die allmähliche Beseitigung aller andersrassigen »Tschandalen« aus den gesellschaftlichen Machtpositionen. 1908 übernahm L. als alleiniger Hrsg. u. Autor die drei Jahre zuvor gegründete Monatsschrift »Ostara« u. formte sie v. einem politischen Forum für alldeutsche Autoren zum Propagandaorgan seiner »Ariosophie« um. Die v. ihm selbst behauptete Auflagenhöhe v. 100.000 Stück dürfte nur eine seiner vielen gezielten Schwindeleien gewesen sein. Im Laufe mehrerer Jahrzehnte gehörten höchstens 300 Mitglieder (Goodrick-Clarke) dem Orden u. damit dem engeren Umkreis des L. an. In der »Ostara«, die Hitler in seinen Wiener Jahren gelesen haben dürfte, fehlte es nicht an erschreckenden politischen Visionen. 1913 trat L. etwa für die »Sterilisierung Kranker u. Rassenminderwertiger« ein u. forderte Zwangsarbeit für »Verbrecher u. kastrierte Tschandalen«. – Enttäuscht über die Kriegsniederlage Dtld.s u. Österr.s wanderte L. 1918 nach Ungarn aus, wo er nach eigenen Angaben wegen seiner Parteinahme für die Konterrevolution nur knapp einer Hinrichtung durch die Kommunisten entging. In »Weltende u. Weltwende« (1923) predigte er einen fanatischen Antisemitismus u. warnte vor einer jüdisch-bolschewistisch-freimaurerischen Weltverschwörung. Als wohl bekanntester Verehrer u. großzügiger Gönner schloss sich ihm auf Empfehlung Alfred Kubins der Dichter Fritz v. Herzmanovsky-Orlando an. »Meister« L. selbst, wie ihn seine Jünger nannten, arbeitete nun umfangreiche Ordensstatuten aus u. verfasste zahlreiche ariosophische Umdichtungen v. Bibeltexten u. alten Kirchengebeten, die nur mehr einen kleinen Kreis erreichten. Da L. zu seiner großen Enttäuschung auch in den politisch erstarkenden völkischen Kreisen nicht beachtet wurde, setzte er auf intensive Selbstmystifizierung u. sparte nicht mit skrupellosen Erfindungen. Das angebliche Treffen mit August Strindberg im Herbst 1896 mit dem anschließenden Ordensbeitritt des weltberühmten Autors gehört nachweislich ins Reich der Fiktionen. Die in den 20-er Jahren einsetzenden Bemühungen, als Wegbereiter Hitlers anerkannt zu werden, misslangen zu Lebzeiten, um paradoxerweise beim verdienstvollen ersten Biographen Daim zu reüssieren, der L. mit seinem plakativen Buchtitel zum »Mann, der Hitler die Ideen gab« typisierte. Heute gilt die Rassenideologie des L. als eine okkulte Inspirationsquelle Hitlers u. der Nationalsozialisten unter vielen. – L. v. L. griff Ideen, die in der Wiener Subkultur der Jahrhundertwende florierten, auf u. verschmolz pseudowiss. Rassenlehren, Germanentümelei u. Antifeminismus mit einer abseitigen Bibelauslegung zu einer schillernden Rassenideologie. Mehr über die Zeitschrift »Ostara« als über seinen Neutemplerorden wurde er zum Bezugspunkt eines kleinen Anhängerkreises, blieb aber insgesamt eine »Einzelfigur ohne wirkliche Breitenwirkung« (Hieronimus). Seine Bedeutung lag »mehr in dem, was er ausgedrückt, als in dem, was er erreicht hat« (Goodrick-Clarke). Eine theol. Analyse seiner Schriften fehlt, könnte aber zur Klärung des Entstehungszusammenhangs u. der Genese seiner furchtbaren Ideologie aus einem respektablen wiss. u. rel. Umfeld beitragen.

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