Körpermalerei und Ritual

25,50

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Beschreibung

Ein Praxisbuch

von Anke Rammé Firlefanz

160 Seiten, 160 farbige und 100 s/w-Abb., Format: 21,0 x 29,0 cm, Broschur,
ISBN 3-927940-42-9

“Als ich Anke Firlefanz kennenlernte, faszinierte mich, wie sehr ihre Arbeit, ihre Kunst im Alltag verwurzelt und eingebettet war. Kunst- und Lebensform miteinander zu verweben und das weiterzugeben, ist ihre besondere Qualität.

Es ist, als ob etwas längst verloren geglaubtes wieder auftaucht, ein altes sich Erinnern, ein Stück heilwerden. Gerade in der Verbindung von Körpermalerei und Natur spiegelt sich auf wunderbare Weise unsere Seele in ihrer ganzen Weite.

Und so soll die Bemalung des Körpers – uralter Teil von Ritualen – hier als das verstanden werden, was sie einmal war: ein magischer Akt! Wir können Verwandlungsmöglichkeiten erkennen und sie durch Bemalung manifest machen, unseren inneren Bildern Gestalt geben und so eine Möglichkeit auftun, den Zugang zum rituellen Erlebnis wiederfinden.

Das Buch soll dazu anregen, spielerisch und lustvoll diese Möglichkeit für sich zu entdecken, sich alles zu erlauben, den eigenen Gestaltungsraum zu vergrößern, die Schöpferinnenkraft zu entfallten."

(Cambra Skadè)

Aus dem Inhalt:

Farbenmagie, Theorie

Farbenmagie, Praxis

Symbole und ihre Wirkung

Farben im Ritual

Die Elemente

Erdfarben

Flüssig- und Kompaktschminke

Vogelgöttin: Tiora in den Tauern

Von der Berghütte aus, zu der wir schon am Tag vorher aufgestiegen waren, machten wir uns auf den Weg die Schlucht hinauf, dick bepackt mit Rucksäcken voller Farben und Pigmente, Räucherwerk und Federn.

War unterhalb der Hütte ein plätschernder Fluss gewesen, im hügeligen Grün der Wiesen, an denen die Kühe Alpenkräuter zupften, so änderte sich die Landschaft schlagartig bergaufwärts. Im Wald roch es würzig und kühl, der Weg wand sich bald als schmaler Trittpfad in Mäandern an den Graten einer Schlucht entlang. Lange stiegen wir aufwärts. Hier waren die Säumer auf alten Pfaden über den Pass geritten, mutige Männer mit ebenso mutigen, ausgebildeten Pferden, die Handelsware in Fässern, auf die Rücken der Pferde gebunden, unter Lebensgefahr auf dem Weg nach Süden und zurück brachten, trotz Eisspalten, Schneesturm und abschüssigen Kletterpfaden……. Zwischen den hohen Tannen und Fichten klettern wir, von den Wurzeln gehalten, zu einem seitlich gelegenem Geröllfeld. Immer größere Brocken ließen ahnen, mit welcher Gewalt hier eine Steinlawine niedergehen mochte… Wir waren schon fast an der Baumgrenze. Dann öffnete sich das Geröllfeld zu einer Senke am Fuße eines riesigen Wasserfalls. Das Wasser stürzte sich mit gewaltiger Kraft schäumend und tosend den Felsen hinunter, ein, zwei riesige Gesteinsstufen und dann in einem großen, majestätischen schäumenden Bogen zu der Senke, an der wir standen, und weiter und weiter hinunter… Über der Gischt hing ein flimmernder Regenbogen. Die gewaltigen Brocken der Gerölllawine waren vom Fluss wie Murmeln schluchtabwärts geschleudert worden und rechts und links vom Fluss liegengeblieben. Dort in der Senke unter dem Regenbogen schlagen wir unser provisorisches Lager auf.

Ein Schutzkreis, eine Räucherung, ein Feuer im Schutz eines Geröllbrockens. Der Proviant stillt den Hunger. Brot, Äpfel, Käse, Wein, existentielle Nahrung: Ich fühle mich, als esse ich meine Umgebung, nehme sie mit sinnlicher Freude in mich auf. Die Luft: ganz eigen in den Bergen. Klar und rein füllt sie meine Lungen, wie ein Schluck des eiskalten Wasserfalls. Und neben dem Tosen der Wasser eine friedvolle Stille, ein Atmen der Steine, dann Rauschen vom Wind, der den hohen Wipfeln sanft über die Baumspitzen streichelt. Dann: die Farben. Jede begrüßt mit Freude, Symbol des Regenbogens und unser Reisegefährt für die nächsten Stunden. In Plastikflaschen aufgereiht stellen wir sie vor uns, und wir wählen unsere Farben. Ich nehme Blau und Grün, Tiora wählt Schwarz und Weiß. Zwischen großen Steinbrocken mit Moosen und Flechten schlüpf ich in meine Farbhaut… In eine Schüssel vor mir lasse ich das Blau laufen. Wasche meine Hände in blauer flüssiger Farbe, tauche bis über die Ellenbogen meine Arme in Wasserenergie Blau… Meine Hände streichen an meine Hüften, Beinen und meinen Oberarmen bis zu den Schultern und hinterlassen überall farbige Haut. Für meinen Bauch nehme ich das Grün, und beim intensiven Streicheln verbindet sich das kalte tiefe Blau mit dem sanften Grün; Türkis ist nun meine Mitte. Auch den Rücken bemale ich mit meinen Händen: Ein kleiner Spiegel, den ich in die Felsen geklemmt habe, zeigt mir die noch freien Stellen. Ein Blick hinüber zu Tiora zeigt mir, dass sie inzwischen weiße lange Beine hat, bis über die Hüften. Sie hat an den Füßen begonnen und streichelt mit ihren Händen von unten nach oben, berührt ihre Mitte, ihren Bauch, von da aus ihre Brüste, Hals und Gesicht. Auch sie dreht sich und wendet sich, ein schlängelnder Tanz, um mit ihren Händen alle Stellen ihres Körpers auf der Rückseite zu erreichen. Sie fühlt sich an wie die Manifestation des nebligen Hauchs des eiskalten Wasserfalls neben uns. Frau, geboren, herausgetanzt aus den schäumenden Wassern. Ich hole mir aus dem Regenbogenkreis der Farben das Gelb, das ich auf Gesicht und Füße verteile. Gelbe Spritzer fallen auf die Flechten am Stein, wie kleine explodierende Blüten, und ich fühle mich geerdet. Mama Erde’s Fadenstrahl durch meine Füße, Beine, Bauch bis nach oben an meine nun gelbe Stirn und weiter bis durch das Scheitelchakra als unsichtbarer Strahl nach oben zu Vater Himmel. Auch Tiora verwandelt sich. Sie rührt mit ihren Fingern in der schwarzen Farbdose, dann betupft sie ihre Beine. Schicht für Schicht, die Fingerkuppen hinterlassen Federtupfen auf ihrem Körper, bis sie ganz und gar mit Flaum und Federfarbe bedeckt ist. Ihr Federkleid ein minutenschneller Fingerzauber… Als ich sie um ein bisschen Weiß bitte, springt sie zu mir hinüber. Ich lege mich auf den Boden zwischen den Steinen und über mir steht Tiora, lacht, und schüttelt ihren weißen Pinsel. Wie Wassergischt spritzen Tropfen über mich, berühren Schenkel, Bauch und Busen. Ich öffne die Augen und lache auch: Nun sind wir beide eingetaucht. Zusammen holen wir die Flügel aus dem Gepäck. Einst flog ein Storch in Portugal in eine Stromleitung, und sterbend fand ihn Wolfi, ein Freund von mir. Damals bat er ihn um seine Flügel und der Storch gewährte ihm die Bitte, nachdem er ihn begraben und seine unsterbliche Seele mit dem Licht vereinigt hatte. Mit Bändern versehen schenkte er sie mir zur Sommersonnenwende mit einem Buch: Mond, Tanz, Magie von Luisa Francia. Sie war die erste, deren Worte und Geschichten SOFORT die uralte Weibermagie in mir berührte und dem Gefühl Ausdruck und Erklärung gab. Ich erinnerte mich… Seit damals weiß ich, warum ich seit Jahren mit Körpermalerei nach draußen ging. Was zuvor ungenannt war, bekam Worte und Bestätigung, eine Antwort auf mein tiefes Sehnen in meinem Herz und Bauch, meine spirituelle Seite mit der ”zivilisierten” Realität zu verbinden. Wolfi’s Geschenk und der Tanz an diesem Sonnenwend war ein starker Zauber. Seit damals trug ich diese Flügel bei mir, zurück in Deutschland tanzte ich den Phoenix nach einer Fehlgeburt in Portugal.

Nun half ich Tiora, die schwarz-weißen Flügel anzulegen. Ich trat zurück. Tiora kauerte zwischen den Steinen, die Arme mit den Flügeln um sich gelegt. In der Hocke sah sie aus wie ein riesiges Ei.

Nicht Mensch, nicht Tier, sondern Frau zwischen den Welten. Dann langsam richtete Sie sich auf, die Flügeln noch unbeholfen bewegend, gleichgewichtssuchend… Sie sind groß, die Spannweite ihrer Arme mit den angeschnallten Flügeln etwa 3,50 m, so kommt es mir vor. Als Sie sicherer wird, spüre sogar ich den starken Luftstrom, den sie beim Flügelschlagen erzeugt. Ob sie gleich abhebt? , frage ich mich grade, als sie von ihrem Standort die Geröllhalde herunterspringt, in die Senke und zum Wasserfall hin. Eine Felsnadel, die drei Meter hoch vor dem Wasserfall aufragt, und uns in der Senke vor Gischt schützt, klettert Tiora mitsamt ihren Flügeln hoch.

Unglaublich, dass sie nicht abrutscht: Der Fels ist feucht, Moose machen ihn noch rutschiger, doch ehe ich mich versehe, steht sie obenauf. Den Blick über die Wasserfallschlucht fängt sie an sich zu bewegen, sie tanzt und entfaltet ihre Flügel. Und zusammen mit dem Rhythmus der Wasser, dem Regenbogen des Lichts, mit den Füßen auf der Erde und dem Feuer ihres Herzens wiegt sie ihren Körper, ihre singende Seele dort oben, mitten im Wasserfall, trancegleich, schwebend in ihrer Mitte… Kurz bevor sie abhebt, über die Schlucht fliegt und auf der anderen Seite sanft landet, rufe ich sie leise….. Tiora, Vogelgöttin….Und trotz ihrer tiefen Trance kehrt sie zurück – und klettert wieder den Felsen hinab, nicht ohne Dankbarkeit an Mutter Erde und der Energie dieses nie versiegenden Wasserfallrauschens, des Gefühls allumströmender Liebe in uns und um uns herum … Später erfahren wir, dass der alte Volksname des Großglockners * , der nicht weit von unserem Wasserfall befindet, ”Vogelgöttin” ist, aber es verwundert mich nicht wirklich… Was immer an diesem Tag an Kraft der Umgebung sich mit Tiora’s eigener Kraft verband, war so unglaublich sanft, stark und schön, dass ich sie noch Monate später in meinen Träumen sah, kurz bevor sie abhebt und sicher und sanft auf der anderen Seite landet und mir zuzwinkert: Sieh nur, es ist alles möglich, wenn Du nur an Deine Kraft und Stärke glaubst!

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