Die Treue als Kern deutscher Weltanschauung

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Beschreibung

von Prof. Max Wundt

Faksimile Verlag, 1924, Frakturschrift, A5, 35 Seiten,

Die Treue als Kern deutscher Weltanschauung

Max
Wundt wurde am 29.1.1879 als Sohn des bekannten Psychologen und
Philosophen Wilhelm Wundt in Leipzig geboren. Nach dem Studium der
deutschen und klassischen Philosophie an den Universitäten Leipzig,
Freiburg, Berlin, München, Straßburg, Marburg und Jena, folgte er 1929
einen Ruf nach Tübingen, wo er bis 1945 lehrte. Er strab am 31. Oktober
1963.
In der während seiner Tübinger Zeit entstandenen Schrift, setzt er sich
mit dem Begriff der Treue in der deutschen Geschichte und Philosophie
auseinander. Hier einige Textbeispiele:
„Die Schilderung des Volkstums aber in seinen sittlichen Bezügen, wie
sie die deutsche Sage bietet, rankt sich an einem Gedanken empor, dem
Begriff der Treue. Es ist die Klammer, die alle Gestalten und
Ereignisse der Sage zusammenhält; Treue und Untreue sind ihr großer
Gegenstand…
Eine solhce Weltanschauung konnte nur aus einem Geiste gewonnen werden,
der wie der Geist der Treue eine Welt des sittlichen Wertes über der
natürlichen anerkennt. Diese Forderung, die der Gedanke der Treue
enthält, richtet sich nicht auf ihren Träger selbst, sondern sie
richtet sich auf sein Verhältnis zu andern. Treue ist nur in der
Gemeinschaft möglich. Denn Treue ist ein wechselsitiges Verhältnis:
Treue um Treue…
Dies ist die Weltansicht der Treue. Sie wird in ihren Grundzügen
vielleicht noch deutlicher werden durch ihr Gegenbild, die
Weltanschauung der Untreue. Bei dieser handelt es sich aber nicht um
die tragische Untreue, die aus der Treue selber entspringt, sondern um
die gemeine Untreue, welche die Treue überhaupt nicht kennt, und deren
Wurzel die Falschheit ist…
Nicht der sittliche Wille des Menschen ist hier das Erste, sondern im
Gegenteil die Selbstsucht. Sie kann wohl als die eigentliche Quelle
aller Untreue betrachtet werden. So schildert es uns schon die sage,
indem sie meistens die Geldgier zum Beweggrund der Untreue macht. Der
trügerische Glanz des Goldes ist es, der den Sinn berückt und ihn zur
Untreue verleitet. Nicht mehr die lebendige Kraft des Sittlichen,
sondern die tote Menge des Geldes wird zum eigentlichen Gehalt des
Daseins. Nicht mehr der innere Wert, sondern der äußere Nutzen gilt als
der obere Maßstab…
Die Philosophie der Untreue ist darum in Wahrheit eine teuflische
Weltanschauung, die den göttlichen Geist aus der Welt verbannt und sie
zum toten Stoffgetriebe macht, die den Menschen von Gott losreißt und
ihn in der Jagd nach Sinnenglück in immer tiefere Gemeinheit
hinabstößt. Das Ende aber des vom Teufel verführten ist die
Verzweiflung. Dem Treuen ist die Krone des Lebens verheißen, wenn er in
den Frieden Gottes eingeht; den Untreuen erwartet die Verzweiflung der
Hölle…
Sie ist beseelt von dem Gedanken der sittlichen Persönlichkeit und
glaubt daher auch in der objektiven Wirklichkeit an das Walten eines
vernünftigen Geistes. Die unechte, dem Deutschen eigentlich fremde
Weltanschauung trat immer dann hervor, wenn das deutsche Wesen sich
selber verlor und der Nachahmung des Auslandes erlag; besonders im 17.
und 18. Jahrhundert und dann wieder im 19., als der deutsche Geist sich
von den großen Schöpfungen seiner Söhne in einem unbegreiflichen Undank
abkehrte und die so viel oberflächlicheren Gedanken Westeuropas annahm.
Diese unechte Weltanschauung erblickt in der Wirklichkeit nur ein
Getreibe toter Stoffe, und daher in der gröberen oder feineren
Selbstsucht das selbstverständliche Verhalten des Menschen…
Die Untreue der Götter führt nach der Sage der Edda den Untergang der
Welt herbei. Untreue ist die zerstörende, Treue die aufbauende macht
des Lebens. Durch den treulosen Verrat der Burgunder an Siegfried geht
ein ganzes Volk zugrunde, während die treue Liebe der Gudrun durch alle
Not und Wirrnis hindurch das Glück der Ihrigen wieder auferbaut. So
haben die beiden Geister auch in unserem Volkstum gewirkt. Was unserem
Volke seinen inneren Wert gab und damit allein auch seine äußere
Wohlfahrt dauerhaft begründete, ist ihm aus dem Geiste der Treue
gekommen. Der Geist der Untreue dagegen, mag er auch zeitweise
trügerische Scheingüter verschaffen, hat unser Volk noch immer in
inneres und äußeres Verderben gestürzt. Als der treue Warner und der
falsche Verführer ringen Treue und Untreue um den Besitz der deutschen
Seele.

Autor: Dr. Wundt, Max  

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