Beschreibung
Günter Nagel
Das geheime deutsche Uranprojekt 1939-1945
Beute der Alliierten
Hg.: Geschichts- und Museumsverein Zella-Mehlis e.V.
Heinrich-Jung-Verlagsgesellschaft mbH
560 Seiten, 160 Abb., gb., 39,90 EUR
ISBN 978-3-943552-10-2
sofort lieferbar
Drei Wochen nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges beschloss das Heereswaffenamt (HWA), unter Einbeziehung einer großen Anzahl renommierter Kernphysiker, die Entdeckung der Urankern-Spaltung umfassend auf ihre militärische Nutzbarkeit zu untersuchen. Eine der zahlreichen dafür tätigen Arbeitsgruppen stand unter der Leitung von Dr. Kurt Diebner, Referatsleiter „Kernphysik“ in der Forschungsabteilung des HWA. Zusammen mit seinen Mitarbeitern arbeitete er in der Versuchsstelle Gottow, auf dem Heeresversuchsplatz Kummersdorf. Sein Ziel war es, eine Versuchsanlage zu schaffen, die eine kontrollierte Urankern-Spaltung ermöglichte, die „Uranmaschine“. Mit relativ einfachen Mitteln wurden mehrere Großversuche durchgeführt, die allerdings nicht zu einer „laufenden“ Uranmaschine führten. Schließlich erfolgte 1944, kriegsbedingt, die Verlagerung aus Kummersdorf nach Stadtilm, wo weiter experimentiert werden sollte. Im Frühjahr 1945 flüchtete die Gruppe vor den heranrückenden US-Verbänden nach Bayern, wo sie in die Hände der Alliierten geriet. Diese und zahlreiche andere Begebenheiten des deutschen Uranprojektes haben immer wieder das Interesse der Historiker und Literaten gefunden, was sich auch in zahlreichen Veröffentlichungen wiederspiegelt.
Im letzten Jahrzehnt gelangten viele, bisher unbekannte Dokumente in deutsche Archive (besonders zu nennen ist das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft) bzw. konnten bei Recherchen neu erschlossen werden. Sie erlauben es, eine Menge von Aktivitäten präziser zu beschreiben und auf Zusammenhänge aufmerksam zu machen, die bislang verborgen waren. Dazu gehören z.B. die Bestrebungen der Diebner-Gruppe in Kummersdorf bzw. in Stadtilm einen Tieftemperaturversuch durchzuführen; das Konzept des Chefs der Forschungsabteilung des HWA, Prof. Erich Schumann, mittels Hohlladungen eine Kernfusion (keine Kernspaltung!) leichter Elemente zu erzielen; die Nutzung des Pariser Zyklotrons durch mehrere deutsche Wissenschaftler sowie Details zur Flucht der Diebner-Gruppe, die bislang im Dunkeln lagen. Auch die bereits publizierten Geheimberichte der sowjetischen Militäraufklärung GRU über einen Kernwaffentest in Thüringen gehören in diesen Kontext. All diese und weitere Fakten erlaubten auch eine Wertung der Leistungen der Diebner-Gruppe (an die in Stadtilm ein Denkmal in Form eines kubischen Würfels erinnert), verbunden mit einer Polemik zum letzten Uranversuch der Gruppe um Prof. Werner Heisenberg im süddeutschen Haigerloch.
Bekanntlich befassten sich bereits während des Krieges die Alliierten mit der drängenden Frage: Besitzen die Deutschen eine Atombombe? Unabhängig voneinander führten die Amerikaner ihre Geheimoperation „Alsos“ und die Sowjets ihr gleichgelagertes Unternehmen „Enormos“ durch – alles mit dem Ziel, in den Besitz der deutschen Urangeheimnisse zu gelangen, die deutschen Wissenschaftler aufzuspüren und nach den Beständen an Uran und schwerem Wasser zu suchen.
Während „Alsos“ bereits gut dokumentiert ist (auch dazu konnten neue Dokumente gefunden werden), war bislang die Aktion „Enormos“ kaum bekannt. Erstmals wird das Vorgehen der sowjetischen Behörden und ihre Beute umfassend vorgestellt, beruhend auf zahlreichen Geheimdienst-Berichten, Vernehmungen deutscher Wissenschaftler, von ihnen geschriebener Berichte und anderen Quellen.
Zahlreiche deutsche Kernphysiker und andere „Spezialisten“ wurden 1945/46 zur Arbeit in die Sowjetunion zwangsverpflichtet. Erst Mitte der 1950er Jahre kehrten sie wieder zurück. Ihnen ist viel Platz gewidmet, einschließlich ihres weiteren Lebensweges in der DDR oder in der BRD.
Über die Lebenswege in Ost bzw. in West von Prof. Dr. Erich Rudolf Bagge, Dr. Friedrich Berkei, Prof. Dr. Alexander Catsch, Dr. Werner Czulius, Dr. Kurt Diebner, Prof. Dr. Georg Carl Friedrich Hartwig, Prof. Dr. Walter Herrmann, Prof. Dr. Heinz Pose, Prof. Dr. Ernst Rexer, Prof. Dr. Nikolaus Riehl, Prof. Dr.-Ing. Hans Westmeyer, Dr. Günther Wirths und Prof. Dr. Karl Günther Zimmer wird u.a. informiert.
Interessant zum Schluss ist auch die Tatsache, dass der Autor Günter Nagel und seine Frau Karin im vergangenen Jahr auf Spurensuche in Norwegen weilten, so in Bergen, Rjukan, Notodden und Oslo. Allgemein bekannt sind bei Insidern die Schwerwasser-Sabotage-Operationen durch die Widerstandsbewegung zusammen mit den Alliierten, um die Nutzung des im Wasserkraftwerkes Vemork (heute: Norwegisches Industriearbeitermuseum in Rjukan) hergestellten schweren Wasser für die Entwicklung einer deutschen Atombombe zu verhindern.
Teil I Das deutsche Uranprojekt 1939-1945
1. Eine Entdeckung und ihre Folgen
2. Struktur und Organisation des Uranprojektes
3. Die Diebner-Gruppe in der Versuchsstelle Gottow
4. Großversuche in der Versuchsstelle Gottow
5. Oranienburg und der Weg des Urans
6. Zyklotron und Hochspannungsgeräte
7. Der scheinbare Ausstieg des Heereswaffenamtes aus dem Uranprojekt
8. Schumanns Bombenkonzept
9. Ausweichquartier Stadtilm und das Ende des Projektes
Teil II Die Beute der Alliierten
10. „Alsos“ und „Epsilon“
11. „Enormos“ und „Borodino“
12. Die Rückkehr der Spezialisten aus der UdSSR und die Geheimdienste
13. Lebenswege in Ost und West nach 1945
Archive und Literatur
Ausgewählte Dokumente und Übersichten